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Feminismus, Geister und ein Stück Geschichte

Szene aus "Footfalls/Neither" von der Inszenierung von Katie Mitchell. "Footfalls/Neither" ist eine Symbiose aus Samuel Becketts Theaterstück und Morton Feldmans Oper (c) Stephen Cummiskey (Staatsoper Berlin)

Katie Mitchell polarisiert: Im Interview erzählt die Theaterregisseurin nicht nur über ihre Arbeit an dem Stück “Footfalls/Neither”

Die englische Theaterregisseurin hat sich über die Bühnen der renommierten Londoner Theater hinaus einen Namen gemacht – vor allem durch ihre unkonventionellen und mutigen Inszenierungen.

Klassischen Theaterstücken und Opern verleiht sie durch Dekonstruktion der Texte und Verwendung experimenteller Elemente Intensität und Aktualität, bleibt ihnen dabei jedoch immer gerecht.

Im Zuge des Festivals für Neues Musiktheater INFEKTION! wird sie das Stück »Footfalls / Neither« inszenieren – eine Symbiose aus Samuel Becketts Theaterstück und Morton Feldmans Oper. Friederike Bloch hat sich mit ihr über die besondere Verbindung der beiden Werke, über den Glauben an das Übernatürliche und über die Position der Frauen in der Kulturszene unterhalten.

Sie haben bei »Footfalls« bereits zweimal Regie geführt. Haben Sie das Stück für die aktuellen Aufführungen verändert, um es mit »Neither« zu verbinden?
Ja, ich habe »Footfalls« 1997 in Stratford inszeniert, in einer sehr dunklen und langsamen Version, und, naturalistischer, in Schweden. Für INFEKTION! müssen wir das Stück an eine sehr große, offene Bühne anpassen und an die darauffolgende Choreografie von »Neither«, welches den größten Teil des Abends ausmachen wird.

»FOOTFALLS HIER AUFZUFÜHREN IST FÜR MICH, WIE EIN STÜCK GESCHICHTE ZU BERÜHREN.«

Was ist die besondere Verbindung von »Footfalls« und »Neither«?
1976 hat Samuel Beckett »Footfalls« hier in der Werkstatt des Schiller Theaters geprobt und aufgeführt. Morton Feldman kam um ihn zu besuchen und hat ihn gefragt, ob er ein Libretto schreiben könnte. Beckett hat gesagt, dass er Opern hasse und Feldman ist enttäuscht wieder abgezogen. Einige Monate später hat Beckett ihm jedoch eine Postkarte mit dem Gedicht »Neither« geschickt. Es ist auf jeden Fall an »Footfalls« angelehnt, denn es geht auch in dem Gedicht um das Umherwandeln und sogar das Wort ‘footfalls’ kommt darin vor. Es ist mit der Welt der beiden Figuren aus »Footfalls«, der Mutter und May, verbunden.
Was die musikalische Struktur und die Rhythmen angeht, spielt die Zahl Neun eine wichtige Rolle, genau wie in»Footfalls«, in dem May jeweils neun Schritte geht.
Wenn er in Deutschland war, hat Beckett fast alle seine Stücke im Schiller Theater inszeniert. »Footfalls« hier aufzuführen ist für mich, wie ein Stück Geschichte zu berühren.

In vielen der Stücke von INFEKTION! spielen Wesen aus einer anderen Welt eine Rolle – in »Macbeth« gibt es Geister, in »AscheMOND« Feen und auch »Footfalls« hat einen sehr geisterhaften Anschein. Glauben Sie, dass es diese ‘andere Welt’ gibt?
Nein, ich habe eher eine wissenschaftliche Position. Aber natürlich kann man diese nur einnehmen, wenn man die Möglichkeit berücksichtigt, dass es etwas anderes geben könnte.

Wenn man sich das Programmheft von INFEKTION! anschaut und auch die Kulturwelt im Allgemeinen, findet man fast nur Männer in signifikanten Positionen wie Dramaturgie, Komposition oder Regie. Warum gibt es solch ein Missverhältnis von Männern und Frauen?
Das ist eine wichtige Frage, die ich mir auch selbst oft stelle. Wenn ich Lehrgänge durchführe, ist das Verhältnis derjenigen, die in dem Bereich etwas werden wollen, immer 80 Prozent Frauen, 20 Prozent Männer. Doch die Realität sieht dann anders aus. In Großbritannien verdient man im kulturellen Bereich sehr schlecht und Frauen verdienen im Schnitt noch mal ein Pfund pro Stunde weniger als Männer. Das ist alarmierend. Die weibliche Erfahrungswelt und Sichtweise wird nicht genügend repräsentiert, wenn alles nur von Männern konstruiert wird. Natürlich können sich Männer auch in Frauen hineinversetzen, doch es sollte trotzdem eine Balance geben. Ich bin Mutter und ich frage mich, ob die Realität und die Erfahrung des Mutterseins die eigenen Wünsche und Ambitionen verändert.

Sie haben es geschafft, das Muttersein und die Karriere unter einen Hut zu bekommen.
Ja, aber es ist nicht einfach. Außerdem war meine Karriere zu dem Zeitpunkt, an dem ich Mutter wurde, schon sehr entwickelt. Die Sorge um das eigene Kind gibt einem eine andere Perspektive auf die Karriere. Wenn ich wählen müsste, würde ich mich natürlich immer zu 100 Prozent für meine Tochter entscheiden. Aber wir sollten trotzdem rigoroser sein. Im Jahr 2014 sollten Frauen nicht mehr diese alten Kämpfe ausfechten müssen, sondern sich darauf konzentrieren können, Frauen in anderen Teilen der Welt zu unterstützen, die noch mehr Machtlosigkeit erfahren als wir.

Drei Sätze: Warum ist ein Festival wie INFEKTION! wichtig?
Wenn es funktioniert, baut es Brücken zwischen einer ziemlich antiquierten Kunstform und einem neuen und jüngeren Publikum. Zweitens bewegt es die Kunstform in ein radikaleres Territorium bezüglich dem was man sieht und hört. Drittens fördert es dynamische Beziehungen zwischen der Oper und Kunstformen wie Theater und Tanz. Diese Dinge sind essentiell für die Gesundheit all der Künste, die involviert sind.

Foto: (c) Stephen Cummiskey (Staatsoper Berlin)

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