Bühne
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Ein Klangteppich mit Bordüren

Flöten von flickr barockschloss

Dreieinhalb Stunden Töne ohne Melodien: Morton Feldmanns Musik beim dritten Kammerkonzert war eine Herausforderung

Morton Feldmans Musik besteht aus Tönen, nicht aus Melodien. So hatte der Zuhörer des Kammerkonzerts III ganze dreieinhalb Stunden Zeit, vergeblich ein wiederkehrendes, melodisches Thema zu entdecken.

Es waren Töne, die Ursula Weiler an der Querflöte und Max Renne am Klavier und Celesta erklingen ließen. Renne saß an beiden Instrumenten, denn die Töne des Klaviers und der Celesta wechselten sich ab.

Proben könne man dieses Stück nicht wirklich, meint Weiler dazu. Das Zusammenspiel funktioniere nur durch ein Vertrauen zueinander, dass man durch das gemeinsame Musizieren gewinne. Durch diese Musik fühlt sich der Zuhörer radikal entschleunigt. Es ist ein Klangteppich, der die Geräusche des Lebens um einen herum wieder hören lässt. Das Seufzen des Publikums, ein rasendes Auto und Vuvuzelas, die während des Konzerts zu den zwei Toren Deutschlands bei der Fußballweltmeisterschaft in Synkopen zu Weilers Tönen erklangen.

Morton Feldmans Musik geht selten über ein Mezzoforte hinaus. Dies ist eine besondere Schwierigkeit für die Querflöte. Der gleiche Ton erklingt bis zu 33 Mal am Stück in Feldmans Werk. Er soll, als er dieses Stück im Jahre 1986, ein Jahr vor seinem Tod komponierte, an die Bordüren eines Nomadenteppichs gedacht haben.

Zu Anfang erinnert der Klang eher an ein Katz- und Mausspiel. Doch die Töne der Flöte, Celesta und des Klaviers holen sich nicht ein, erklingen auf den 50 Seiten des Stückes selten zusammen.

Dieses Werk, das selten aufgeführt wird, ist eine Zerreißprobe für Assoziationen. Man fühlt sich eingeschlossen in seine Gedanken. Die Musik hindert einen allerdings daran, an alltägliche Dinge wie die Einkäufe für das Mittagessen oder den Geburtstag der Oma nächstes Wochenende zu denken. Der Klang engt den Zuhörer und seine Gedankenwelt ein, man fühlt sich mit der Musik konfrontiert und hat dabei keinen gedanklichen Fluchtweg. Man lechzt nach Melodie, nach einem Thema, dem man folgen kann, doch da kommt nichts.

Ein Zuschauer, der nach 90 Minuten den Raum verließ, sagte mir, dass seine Assoziationen beim Hören der Musik zwischen Psychiatrie und Friedhof kreisten. Er musste gehen.

Foto: cc flickr von barockschloss

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Kategorie: Bühne

In Hamburg aufgewachsen, in Hessen den Bachelor gemacht und nun in Berlin. Mag Netzkultur, Musik und Sprache.

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