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Pure Schnitte im Tablaux vivant

Michael Sontag zeigt seine Herbst/Winter-Kollektion auf der Berlin Fashion Week als Installation zum Drumherumgehen

Wie skandinavische Skulpturen hat Michael Sontag seine Models installiert. Im Römischen Hof, Unter den Linden, stehen sie wie kühle Schaufensterpuppen auf hölzernen Paletten in der Mitte der Präsentationshalle. Sie tragen weite Chinohosen in ungesättigten Naturtönen, einen Strickpullunder in senfgelb, weiße Blusen, am Rücken und unter den Armen drapiert, hüllende Wollmäntel, sowie ein asymmetrisches, apfelgrünes Abendkleid.

Der 30-jährige Designer, der 2009 als Newcomer gefeiert wurde, lässt seine Models stillstehen und das Publikum drum herum laufen. Er wählt bewusst keine klassische Schau, weil man sich so die Mode genauer ansehen und sich Zeit nehmen kann. „Auf dem Laufsteg geht´s mir einfach zu schnell“, sagt Sontag.

Die aufgebrochene Präsentationsform bringt die Kollektion des Designers nah an das Publikum heran. Man kann selbst die Perspektive ändern und sich die Bluse auch von hinten ansehen und noch mal zurückgehen zu seinem persönlichen Lieblingsstück. Dadurch wird die Mode dreidimensional und plastisch. Sie verliert die Unnahbarkeit der konventionellen Schauen, die Stücke sind auffällig tragbar.

Das Konzept der Installation geht ausgesprochen gut auf. Der Kontrast vom grauen Kieselboden und vom kühlen Beton der Ausstellungshalle zur organischen Wärme der hellen Birkenholzpaletten, auf denen die Models geerdet sind, spiegelt sich auch in Sontags Mode wider: Klare Schnitte, fast architektonisch, und doch natürliche Farbigkeit und Naturfasern. „Organic cotton“, so Sontag, verwende er am Liebsten.

Die Textur der Stoffe fällt besonders ins Auge bei einer Präsentationsform, bei der man ganz nah an die Kleider heran gehen kann. „Es soll gemütlich sein“, sagt Sontag, „man soll sich cosy fühlen.“ Die Materialien sind dem Designer, Absolvent der Kunsthochschule Berlin Weißensee, ausgesprochen wichtig.

Man sieht mehr dunkelblau als schwarz, alles in Matt, mal Tweed, mal Strick, viel Baumwolle. Kein Glanz von Synthetik. Michael Sontag hat schon in seinen vorangegangenen Kollektionen mit Drapierungen und Raffungen gearbeitet. Die Herbst/Winter-Kollektion zeigt außerdem fallende Stoffpartien über den Schultern, asymetrische Nähte und tropfenförmigen Körperkonturen. Die Stoffe wirken fest, fast steif. Taillen und Hüften sind weit verhüllt.

Michael Sontag sagt, es gehe ihm nicht um eine Verhüllung der weiblichen Silhouette. Vielmehr stelle er sich vorwie sich die Frau fühlt“ und „dass es toll ist, wenn man solche

Stoffe an sich spürt und sich damit bewegen kann.“ Bei aller Ästhetik der Installation vermisst man als Betrachter dann doch gerade das: die Kleider und Stoffe in Bewegung zu sehen. So wirken die Schnitte statisch, ein wenig schablonenhaft und eingefroren, gebrochen von Strickschals, die locker als Gürtel um die Hüften gelegt sind. Die Materialität und die Texturen von Sontags Kollektion kann man sich sehr genau ansehen. Wie Schnitte lebendig werden, sieht man leider nicht.

Der aus Bayern stammende Designer macht Mode, die ausgesprochen skandinavisch wirkt. Nicht so feminin wie filippa k und nicht so trendig wie Acne. Man denkt an cos, nur schöner. Michael Sontag setzt auf Langsamkeit statt Hektik auf dem Laufsteg mit einer angenehm puren Präsentation.

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Kategorie: Archiv