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Märchnschloss geplant, Luftschloss gebaut

Wer Luftschlösser baut, muss sich nicht wundern, wenn sie zerplatzen. Dem Berliner Stadtschloss scheint dieses Schicksal gleich doppelt zu widerfahren: Erst ließ Walter Ulbricht den Originalbau 1950 als Symbol des preußischen Absolutismus sprengen und nun scheinen auch die Pläne für eine Rekonstruktion des Schlosses zu Schutt und Asche zu zerfallen, noch bevor überhaupt der Grundstein gelegt werden konnte. Anders als Ulbricht muss die Stadt Berlin daher zumindest keine Trümmer abtragen, auch wenn das städtische Selbstbewusstsein in selbigen daniederliegt.

2002 traf der Bundestag den Entschluss, auf dem Schlossplatz, der derzeit eher einer Wiese gleicht, einen Mammutbau zu errichten, dessen äußeres Erscheinungsbild der Barockfassade des historischen Stadtschlosses entsprechen sollte. Seither wollten die Diskussion über Sinn und Zweck des Projekts nicht verstummen, bis die Bundesregierung Kritikern wie Befürwortern am gestrigen Montag ein Maulkorb verpasste. Oder sollte man besser von einer Maulschelle sprechen?

Nach zweitägiger Sparklausur des Kabinetts kam man zu dem Entschluss, das Bauvorhaben sei unter Berücksichtigung der aktuellen Finanzlage „nicht vermittelbar“. 552 Millionen Euro Kosten, so die Schätzung, kämen auf den Bund, die Stadt Berlin und einen privaten Förderverein zu, sollte der Schlossplatz inmitten der Museumsinsel wieder in seinem ursprünglichen Glanz erstrahlen – den finanziellen Aufwand für die spätere Nutzung des Gebäudes einmal außer Acht lassend. Während die Aufteilung der Finanzierung zumindest schon einmal unter den drei Förderern abgeklärt war, so war die Aufteilung der entstehenden Räumlichkeiten weiter unklar.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sah dort die Sammlung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst aus Dahlem künftig beheimatet, die Humboldt-Universität wollte Stücke ihrer wissenschaftlichen Sammlung präsentieren. Auch Teile der Landesbibliothek hofften auf  ein neues Obdach. Somit hätte sich die Anwohnerliste des künftigen Stadtschlosses ähnlich gelesen, wie ein Neuköllner Klingelschild: ein heilloses kulturelles Durcheinander.

Für ein ebensolches sorgte der gestrige Entschluss der Bundesregierung nicht nur in lokalen Medien. Das Projekt Stadtschloss ist damit noch nicht endgültig zerstört, allerdings kreist Abrissbirne bedrohlich nah über den Köpfen der Verantwortlichen. Bis 2014 rollt jedoch definitiv kein Bagger auf dem Gelände in Berlin-Mitte an. Allerdings wird untertage schon einmal fleißig gebuddelt: Der Ausbau der U-Bahnlinie 5 bis zum Pariser Platz bleibt von dem Entschluss unbeeinträchtigt. Ob die Haltestelle am ehemaligen Standort des Palastes der Republik dann zu einem Stadtschloss oder zu einem Stadtpark führt, bleibt abzuwarten.

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