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Glaube, Liebe, Tod

Wie sich die Wirtschaftskrise in Berlin auf die ganz grundsätzlichen Dinge im Leben auswirkt.

Ein Anruf bei der Berliner Stadtmission. In der Warteschleife singt eine sanfte Männerstimme: „Lasst  uns suchen nach dem Besten der Stadt, nach den Menschen, die Gott auf unser Herz gelegt hat.“ Carmen Behrens ist die Assistentin eines evangelischen Pfarrers, der seit fünf Jahren monatliche Gesprächskreise abhält. Die „Frühschicht“ möchte Kontakt herstellen zwischen der Kirche und Menschen, die z.B. in Verbänden und in der Politik arbeiten und die spüren, dass „Arbeit nicht alles ist“, wie Frau Behrens sagt.

Vom Spüren der Krise

Direkt von den Auswirkungen der Krise betroffen seien diejenigen, mit denen sie in Berührung kommt, nicht. Die Wirtschaftsflaute sei allerdings regelmäßiges Thema der morgendlichen Treffen. “Momentan kommen jedes Mal zehn bis fünfzehn Leute. Ihrem subjektiven Empfinden nach sind diese Menschen sicher vor Arbeitslosigkeit.“ Eher als dem Zustand der Berliner Wirtschaft, sei es der Arbeit der Kirche zuzuschreiben, dass die Zahl der Teilnehmer wächst.

Lady Isabell und Lady Salina

Grit Schubert von der Escortagentur Charlene spürt die Krise hingegen sehr wohl. Sie gründete den Dienst Anfang des Jahres 2009, weil ihr ursprüngliches  Tätigkeitsfeld, der Internethandel, ihr kein genügendes Einkommen mehr bot. Frau Schubert ist 40 Jahre alt und vermittelt telefonisch Begleitdienste zwischen männlichen Kunden und jungen Frauen im Raum Berlin. Ihre Kunden sind zumeist Geschäftsmänner, die – zu Besuch in der Hauptstadt – das schnelle Abenteuer suchen. „Ich tue das nicht, weil es mir soviel Spaß macht“, betont sie. „Ich möchte einfach Geld verdienen.“

Angesprochen auf die Krise stöhnt sie: „Vergangenen Monat hatte ich vier oder fünf Aufträge. Zwei meiner Mädchen sind zusätzlich bei anderen Agenturen und klagen, dass letztes Jahr noch alles erheblich besser lief.“ Der erotische Service ist nicht ganz billig: Die Stunde mit Lady Isabell oder Lady Salina kostet 250 Euro. Von ihrem jungen Unternehmen leben kann Grit Schubert noch nicht, die Arbeitsagentur bezuschusst den Service.

Discount-Paket zu 399,-

Die sechsspurige Frankfurter Allee im Bezirk Friedrichshain. Eingeklemmt zwischen einem Internetcafé und einer Pizzeria befindet sich der Bestattungsdiscounter Aeterna. Unter dem blau-weißen Lichtkasten bietet das Schaufenster Sicht auf steinerne Urnen und eine Handvoll aufgebahrter Särge. Der Raum ist mit Schall dämpfenden Teppichen ausgelegt.

Linda Hoppe ist Anfang Dreißig und von Beruf Bestatterin. Sie trägt ihre braunen Haare offen, einen schwarzen Pullover und dunkle Bluejeans. Konkrete Zahlen möchte sie nicht nennen, versichert aber, dass die Anzahl der von ihrem Institut durchgeführten Bestattungen sich im letzten Jahr nicht verändert hat. „Wir haben ja keinen Einfluss auf die Sterbezahlen. Wer zu uns kommt weiß, dass es hier günstig ist.“ Das von Aeterna angebotene Basis-Paket mit Feuerbestattung und anonymer Beisetzung kostet 399 Euro. Gezielt nach den Discount-Angeboten fragen würden aber nur Angehörige, die in keinem guten Verhältnis zu dem jeweils Verstorbenen standen.

Was man gemeinhin über Frau Hoppes Geschäft sagt, stimmt anscheinend: Gestorben wird immer. Luxusdienste wie der von Frau Schubert hingegen scheinen in der Krise verzichtbar zu werden. Und wer der Kirche in sonnigen Zeiten nicht zugeneigt ist, wird auch in trüben nicht fromm. Ob das nun gute Nachrichten sind für eine Hauptstadt in der Krise oder schlechte, das liegt im Auge des Betrachters.


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