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Talente, Stars und rote Bären

So schnell wie sie auftauchten, waren sie auch wieder weg: die zahlreichen Menschen mit den knallroten Umhängetaschen und den ebenso leuchtend roten Schlüsselbändern. Ganz Berlin sah Rot. Zehn Tage lang bestimmte diese Signalfarbe das Stadtbild.

Bereits zum 59.Mal ist Deutschlands Hauptstadt mit dem Berlinale-Virus infiziert worden. Bis zu 400 Filme aus verschiedenen Sektionen wurden vom 5. bis zum 15. Februar auf dem weltweit größten Publikumsfestival gezeigt. Die Berlinale hat jedoch nicht nur für Cineasten und die angereisten Stars und Sternchen einiges zu bieten. Auch der Nachwuchs aus dem Bereich des Filmschaffens kommt auf seine Kosten.

Seit 2003 findet im Rahmen der internationalen Berliner Filmfestspiele der einwöchige Berlinale Talent Campus statt, für den sich junge Filmschaffende aus aller Welt bewerben können. Von den insgesamt über 3.800 Bewerbern wurden in diesem Jahr 350 Teilnehmer für den Talent Campus ausgewählt. Sie erhielten damit die einmalige Gelegenheit, sich in Workshops, Vorträgen, Diskussionsrunden und Gesprächen auszutauschen, von prominenten Berlinale-Gästen und namhaften Experten zu lernen und dadurch Kontakte für künftige Projekte zu knüpfen. In diesem Jahr stand das gesamte Campus-Programm unter dem Motto: Suddenly it all happened- The turning Point in close-up. Das Thema „Wendepunkte“ -in all seinen Facetten- zog sich somit wie ein roter Faden durch die verschiedenen Veranstaltungen.

„I love to play, I do not love to act“

In der Reihe „In the Limelight“ berichteten Regisseure und Schauspieler über ihre Erfahrungen in der Filmbranche. Besonders großer Besucher- und Presseandrang herrschte dieses Mal am zweiten Abend des Talent Campus. Tilda Swinton, eine der vielseitigsten Schauspielerinnen und die diesjährige Präsidentin der Internationalen Berlinale-Jury war zum Gespräch mit Moderator Peter Cowie ins Theater Hebbel am Ufer1 (HAU1) eingeladen worden. Mit ihrem feenhaften Erscheinen auf der Bühne löste sie einen tosenden Applaus im bereits gebannt wartenden Publikum aus.

Mit Cowie sprach sie zur Freude der internationalen Zuhörer in bestens artikuliertem Englisch über ihre persönlichen „Turning Points“, wie etwa der Begegnung mit dem britischen Filmemacher Derek Jarman oder ihre bewusste Entscheidung für eine Filmkarriere. Mit einem zauberhaften Lächeln behauptete sie, dass sie eigentlich keine Ahnung vom Schauspiel habe und dass es nur die Leidenschaft zu spielen sei, die in diesem Bereich wirklich zählt. Selbst an einer Schauspielschule könne man so etwas nicht lernen. Diese Aussagen dürften zu großer Erleichterung bei den anwesenden jungen Talenten geführt haben.

Multi-Talente der Filmbranche

Ein weiteres Aufgebot an Stars aus dem Filmgeschäft erwartete die Besucher des Talent-Campus bei der Veranstaltung „Switching Roles: Multi-Talents in Film“. Til Schweiger, Christophe Honoré und Rie Rasmussen waren dabei die geladenen Multi-Talente, die über den Wechsel innerhalb der vielfältigen Arbeitsbereiche des Filmschaffens berichteten. Frauenschwarm Til Schweiger äußerte sich, wie gewohnt leicht nuschelnd mit zusammengebissenen Zähnen zu den Herausforderungen, welche die Arbeit als Schauspieler und Regisseur mit sich bringt und auf welche Weise etwa das Wissen eines Schauspielers seine Regieführung beeinflusst.

Aus der Dänin Rie Rasmussen sprudelte es nur so heraus, als sie aufgefordert wurde, etwas über ihre Arbeit zu erzählen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie sogar gleich vier Berufe unter einen Hut bringt. Sie ist unter anderem das Gesicht der Werbecampagne von Gucci und schaffte es nebenbei, das Drehbuch für den auf der Berlinale uraufgeführten Film „Human Zoo“ zu schreiben, die Regie zu führen und als Hauptdarstellerin vor der Kamera zu stehen. Wieder mal ein Beweis dafür, dass Frauen Meisterinnen im Multitasking sind.

Während ihrer Ausführungen zupfte und tatschte sie immer mal wieder an ihrem Sitznachbarn Schweiger herum, der jedoch darüber nicht sonderlich amused zu sein schien. Der französische Schriftsteller und Filmregisseur Christophe Honoré hingegen war die meiste Zeit intensiv damit beschäftigt, der Übersetzung seiner gut aussehenden Dolmetscherin zu lauschen und kam vermutlich leider auch auf Grund der sprachlichen Barriere weniger oft zu Wort als seine beiden Mitstreiter.

Was dem Nachwuchs auf der Seele brennt

Im Anschluss an die jeweiligen Veranstaltungen gehörte das Wort für eine halbe Stunde den Nachwuchstalenten und auch den anderen Gästen im Theatersaal. Genügend Zeit, um den geladenen Experten die Fragen zu stellen, die ihnen schon lange auf der Seele brannten: Wie schafft man es, so erfolgreich zu werden? Verarbeiten Sie auch Träume in Ihren Filmen? Haben Sie manchmal Albträume?

Geduldig und mit viel Charme antwortete jeder der Befragten auf die teilweise ungewöhnlichen Fragen und gab Tipps rund um das Filmgeschäft.Til Schweiger wurde übrigens am Ende vom Moderator aufgefordert, mit drei Worten seine Pläne für die Zukunft zu beschreiben. Seine Antwort: „Keinohrhasen Zwei“.

So war auch diese Berlinale mit ihrem Talent-Campus wieder ein voller Erfolg, und der ein oder andere wird sich sicher noch lange an diese Zeit des rot gefärbten Ausnahmezustands erinnern. Vor allem dann, wenn vereinzelt doch noch ein paar eingefleischte Fans mit ihren roten Berlinale-Umhängetaschen durch die Straßen von Berlin schwirren. Es ist schließlich nie zu spät, Farbe zu bekennen!

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